Nordlichter anstatt Feuerwerk
Schwedisch Lappland ist mir bestens bekannt. Im Sommer wie auch im Herbst. Doch einen Winter dort oben, einen solchen habe ich noch nie erlebt. Dunkelheit und Kälte sollen einen erwarten… «warum muss man denn um diese Jahreszeit ins Dunkle reisen?» Solche Aussagen hörte ich vor der Abreise des Öfteren. Sind wir mal gespannt…
Wir flogen wie üblich ab Zürich via Stockholm nach Luleå, das liegt nahe an der finnischen Grenze auf der östlichen Küstenseite Schwedens. Als wir um 15 Uhr in Stockholm umsteigen mussten, war es schon beinahe dunkel. Um 17 Uhr in Luleå angekommen, tatsächlich finster. Interessant.
Mit dem Mietwagen, ein Audi A4 Kombi 4WD, ging die Fahrt für nochmals 2.5h bis nach Arvidsjaur. Die Strassen waren auf der gesamten Strecke schneebedeckt und es schneite immer mal wieder. Für diesen Aufenthalt hatten wir ein Haus in Storberg gemietet. So eins, wie man es sich in Schweden vorstellt - mit der Ausnahme, dass unseres nicht rot sondern gelb war. Der Schwedenofen in der Stube sorgte bei Temperaturen von bis zu Minus 20° für eine zusätzlich warme und gemütliche Stimmung.
Unser erstes Highlight hier oben galt den Huskies von Wildact Adventure in Storberg. Bei Jürg und Simone hatten wir diesmal ein zweitätiges Hundeschlitten-Abenteuer gebucht. Damit wir uns darauf vorbereiten konnten, absolvierten wir an einem Tag ein Training mit den Hunden und den Schlitten. Was sind die Do’s and Don’ts und wann, und vor allem wie, muss man bremsen. Es war für uns alle ein Novum. Als der theoretische Teil durch war, gings los. Jürg voraus und wir alle mit unseren eigenen Schlitten und den vorangespannten Hunden hinterher. Durch Wälder und über gefrorene Seen. Ausser dem Geheul der Huskies - welches immer dann losging, sobald eine kurze Pause eingelegt wurde - hörte man draussen im unberührten Weiss rein gar nichts. Staunen, geniessen, mit den Füssen ab und zu die Bremse betätigen und zwischendurch mal das Gewicht nach links oder nach rechts schwenken - oder sich bücken, um tief hängenden Ästen auszuweichen.
Die oben gezeigte kleine Bildreihe verdeutlicht, an einem schönen klaren Tag, wie in etwa der Verlauf der Sonne vonstatten geht. Das Bild oben links wurde um ca. 11 Uhr aufgenommen. Das unten rechts ist schon ca. 12:30 Uhr und zeigt, wie die Sonne sich wieder langsam verabschiedet. Die Sonne hebt sich kaum mehr als zwei Fingerbreit über den Horizont. Schon nach 13 Uhr beginnt sie sich wieder zu senken. Um 15 Uhr ist der Himmel wieder tiefblau – und dunkel. Die «blaue Stunde» kommt da oben also schon wesentlich früher als bei unseren Lichtverhältnissen in der Schweiz.
Es war unser erster Abend bei klarem Himmel und auch wenn die Dämmerung das Gefühl von “ab nach Hause, Abendessen” hervorruft, war es doch erst Nachmittag. Wir stiegen kurzentschlossen ins Auto, um uns die verschneite Landschaft und das Licht von oben anzusehen. Der Berg Akkanålke (für Schweizer eher ein Hügel) ist nahe gelegen. Wir parkierten das Auto und machten uns zu Fuss (Schneeschuhe vergessen) auf durch den knietiefen Schnee. Um uns komplett von Schnee zugedeckte Bäume. Wir liefen, bis wir eine gute Aussichtsposition erreicht hatten. Der Himmel, oben in tief dunklem Blau, hatte über dem Horizont eine weiche Linie in Orange gezeichnet. Der Mond, als Sichel am Himmel hängend, begleitet von der Venus zu seiner Rechten, waren vorerst die einzigen zwei Lichter am Himmel, welche sich uns offenbarten.
29. Dezember 2022. Ein bewölkter Tag. Doch wie schon in einem der vorherigen Blogs beschrieben, gibt es kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. Wir haben nach dem Frühstück beschlossen, zum Trollforsen zu fahren (eine der grössten Stromschnellen Europas). Diesen Ort hatte ich schon im Herbst 2021 alleine besucht. Und nun konnte ich diesen auch noch im Winter kennenlernen.
Zum Glück hatte ich mir von damals die wichtigsten Punkte, wo man ungefähr im Wald den Weg verlassen und Richtung Fluss stechen kann, gut markiert. Der letzte Strassenabschnitt war jedoch auch mit unserem 4x4 nicht befahrbar. Zu hoch der Schnee und vielleicht auch zu hoch das Risiko, einen Mietwagen in einem doch ziemlich abgelegenen Ort durch den Schnee zu würgen. Also: weiter zu Fuss! 4 Km durch verschneiten Wald. Noch zwei Stunden bis es dunkel ist.
Nach etwas mehr als einer Stunde hatten wir es - die Kinder mit Schneeschuhen ausgerüstet - bis zur Hängebrücke geschafft. Die einzigen Spuren im Schnee waren die unsrigen - entsprechend anstrengend war auch der Weg. Proviant hatten wir dabei. Ölkorv, eine Art Minipic und etwas getrocknetes Rentierfleisch (Moschtbröckli). Dumm nur, dass die ca. Minus 15° das Fleisch förmlich tiefgefroren hatten. Nicht, dass es sonderlich gut schmeckt, doch ein Minipic-Würstli in einem Thermos-Becher warmen Tee wieder geniessbar zu machen, war gerade die einzige Möglichkeit, etwas Kleines zu essen… denn wir hatten ja nochmals 4km Weg retour vor uns - und das dann im Dunkeln. Mit Stirnlampen und in gutem Tempo ging das prima. Tempo darum, um nicht kalt zu kriegen. Gerade bei solchen Temperaturen und mit Kindern gilt, immer in Bewegung bleiben: “wer isch zerscht bim nächste Baum?” Läuft!
Auch am Folgetag war es wieder stark bewölkt. Angetan von den Wäldern, überquerten Katenka und ich den zugefrorenen, gut ein Kilometer breiten See bei der Huskyfarm. Unser Ziel waren die Bäume im nicht zu dicht bewachsenen Wald auf der anderen Seite.
Die erste Woche ist vergangen. Wir sahen Schnee, viel Weiss, Bäume, hatten eiskalte Flüsse und mindestens so viel Kälte am eigenen Körper erfahren. Das erste Training mit den Huskies auf dem Schlitten liess unsere Vorfreude auf die noch kommende, zweitätige Tour steigen. Die Nordlichter jedoch, diese haben sich bisher nicht zeigen wollen. Es sollte aber noch anders kommen. Die Wetterprognose für die kommende Woche war sehr gut. Wolkenfrei und kalt.
Wir feierten Neujahr auf der Huskyfarm bei Simone und Jürg. Draussen, am grossen Feuer, genossen wir ein Chili Con Carne mit Rentierfleisch und andere Köstlichkeiten. Nach dem Anstossen auf ein gesundes und abenteuerliches 2023 machten wir uns schon bald auf den Weg zu unserem Haus. Und siehe da, beim Blick zurück war ein kleiner, feiner, grüner Streifen am Himmel zu sehen. Tatsächlich! Doch der Streifen war zu schwach und ich ohne Kamera unterwegs.
Am 1. Januar hatten wir nichts Grosses vor. Wieder sassen wir ins Auto, diesmal mit Schneeschuhen im Kofferraum und fuhren erneut zum Akkanålke, dem Hausberg sozusagen. Es war Mittag und wir gönnten uns bei heftigen Windböen sowas wie ein Sonnenuntergang zu Mittag und experimentierten einmal mehr mit den Kameras.
Es war ca. 20 Uhr, wir hatten gerade unser Abendessen genossen und dann kam eine Whatsapp-Nachricht von Simone: “Nordlichtalarm”! Nichts wie raus! Wenn man - wie ich - nicht genau weiss, was einen erwartet, fokussiert man sich zuerst einfach mal auf das Happening selbst. Wir sind zum See runter und ich stellte Stativ und Kamera so auf, dass man vor allem die Lichter sah. Die Bildkomposition spielte für mich in diesem Moment noch keine sonderlich grosse Rolle, denn es war - in dieser Form und Stärke - eine Premiere für mich.
Das, was wir hier in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar erleben durften, wird noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Mag sein, dass dieses Phänomen bei vielen auf der Bucketlist steht, doch jetzt, wo ich sie selber in dieser Form gesehen habe, kann ich nur empfehlen, sich auf den Weg zu machen, diese Lichter zu bestaunen! Je näher am Polarkreis oder besser, je nördlicher, je klarer die Nächte und desto höher der KP-Index, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, sie zu sehen.
Doch für uns hiess es nun packen für morgen!
Um 09:30 Uhr standen wir in voller Montur bei den Hunden und konnten unser jeweiliges Gespann selber angurten und vorbereiten - dies unter der Aufsicht von Jürg und seinen Doghandlers. Nach gut einer Stunde Vorbereitung ging es los. Wie im Training gelernt, mit einem Fuss auf der Bremse, langsam aus dem Zwinger bis raus auf den See. Die Hunde sollen nicht sprinten, sondern traben… haben sie doch ca. 35km vor sich.
Kurz vor Ankunft in unserer Hütte überquerten wir noch ein letztes Mal einen zugefrorenen See. Die Hütte ist abgelegen und wird per Holzofen geheizt. Eine Toilette - ungeheizte Holzhütte mit Plumpsklo - steht nebenan. Wasser holen wir vom gefrorenen See, bzw. vom Overflow, was im Prinzip Wasser ist, welches an die Oberfläche dringt. Jürg kocht Älpler-Makkaroni. Jürg ist Ingenieur - und auf ihn trifft’s voll und ganz zu: “Für den Ingenieur ist nix zu schwör!”
Wer sich übrigens fragt, wie ich die Kamera in dieser Kälte mitgeschleppt hatte, hier die Antwort: Ich trug sie einfach um den Hals gehängt unter der dicken Jacke. Einen Ersatzakku hatte ich in einer Innentasche in Körpernähe. Ich mag die Brennweite von 35mm - das ist sogar meine Lieblingsbrennweite für Landschaften und allgemein auf Reisen. Es hat alles im Bild Platz, was meinem Gusto entspricht. Und es reicht auch gut mal für ein Portrait. Während der ganzen Zeit und bei allen Spots hatten beide Kameras, Leica und Fuji, trotz der Kälte gut mitgemacht.
Am Abend wieder zurück in unserem Haus, Abendessen, Fotos der letzten beiden Tage sichern und im Bildbearbeitungsprogramm Lightroom leichte Anpassungen vornehmen. Marginal am Kontrast schrauben, die Belichtung etwas hoch, Schwarztöne vielleicht etwas runter. Zwischendurch ein Schluck leichtes Bier, Norrlands Gjuld, auf Spotify läuft ZAZ… Life is good!
Dann plötzlich: Nordlichtalarm! Jürg meldet via Whatsapp Aktivitäten am Himmel. Diesmal ging ich nicht wieder auf den See, sondern, vom letzten Mal vorgemerkt, an eine Stelle im Wald, bei welcher ich möglicherweise das Nordlicht zusammen mit Bäumen besser kombinieren konnte.
Drei Tage infolge Nordlichter - und das sogar auf und nach einer Hundeschlitten-Expedition. Es lohnt sich also, im hohen Norden mehr als nur eine Woche zu verbringen. Hätten wir bloss die erste Woche hier oben verbracht, wären Nordlichter wohl noch immer auf unserer Bucketlist.
Für morgen, unseren letzten Tag, gönnten wir uns einen Ausflug zum Storforsen, der grössten Stromschnelle Nordeuropas.
Wir nehmen auch dieses Mal wieder viele, unvergesslich schöne Erinnerungen und Erlebnisse mit.
Vielen Dank allen Leserinnen und Lesern, die sich die Zeit nehmen, diese Berichte zu lesen und unseren Abenteuer aufmerksam zu folgen. Ich freue mich immer sehr über Kommentare oder auch persönliche Feedbacks!
Ich habe diesmal die Kameraeinstellungen bei den Bildern angegeben. Vielleicht ist es ja für jemanden nützlich. Die Leica M11 ist eine Vollformat-Kamera mit 60 Megapixeln, die Fujifilm GFX100s ein Mittelformat. Der Sensor der GFX ist gut 1.7x Grösser und hat insgesamt 102 Megapixel. Beide Kameras haben einen unterschiedlichen Stil und geben die Farben anders wieder. Die Leica M11 habe ich mir erst letzten Oktober zugelegt und ich bin fasziniert von der Bildqualität. Ihr seht, man kann durchaus mit verschiedenen Geräten arbeiten. Das Wichtigste, so scheint es mir, ist, die Kameras in den unterschiedlichsten Situationen richtig einsetzen zu können.
In meinem Online-Store hat es wieder ein paar Bilder dieser Reise im Angebot. Ich freue mich immer riesig über jede Bestellung. Interessiert sich jemand für andere Bilder aus dem Blog oder möchte ein Bild in einer anderen Grösse, dann schreibt mich ungeniert an.
Auf bald wieder!
Herzlich - Frédéric