Kanada Teil III - Alaska
Der Dempster Highway war erfolgreich zurückgelegt. Es bleibt uns als ein unvergessliches Abenteuer in der Natur, weit ab der von uns so gewohnten Zivilisation, mit vielen schönen und tierischen Begegnungen, in bester Erinnerung. Wie bereits aus dem letzten Selfie aus “Kanada Teil II” zu entnehmen war, führte unser Weg ins benachbarte Alaska. Ab Dawson City gin’s via “Top-Of-The-World-Highway” an die US Amerikanische Grenze. Auch wenn dieser Grenzposten “easy” sei, die Amis ticken spürbar anders als die Kanadier. In Kanada wird man freundlich empfangen, gefragt wie es geht, woher man kommt, wohin die Weiterreise führt und was man so alles vor hat. Die Pässe werden kontrolliert und man wünscht eine schöne Weiterfahrt (so bei der Wiedereinreise nach Kanada).
Aber die Amis? No way! Los ging’s mit einem strengen “Open the windows! Any weapons or dangerous goods in this vehicle?!” Während er auf meine Antwort wartete, funkte er die Nummer des Nummernschildes an seinen Kollegen und fragte mich, woher ich dieses Auto habe. Es hätte mich ja schon sehr gereizt zu sagen, dass wir nuklearen Sprengstoff hinten drauf haben, zwei entführte Kinder und das Auto selbstverständlich gestohlen ist - ob die Weiterfahrt dann möglich gewesen wäre? Ich habs mir verkniffen. Als ich das Fenster hinunterliess und der Officer mit kritischer Mine einen Blick hinten rein warf, konnte auch er sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. Beim Anblick zweier Kinder, die Kopf an Kopf mit offenem Mund an sich gelehnt im komatösen Tiefschlaf lagen, hat sich die ganze Situation deutlich entspannt. Es scheint als wäre übertriebene Härte dort Gang und Gäbe - aber eigentlich müsste das nicht sein. Nach einem Foto und der Abnahme unserer Fingerabdrücke, bekamen wir unsere Pässe zurück und fuhren weiter.
Je weiter südlich wir fuhren, desto anders wurde das Landschaftsbild. Wir können bis heute nicht richtig sagen, was anders ist, doch so grün Alaska auch ist - es scheint alles geordneter, dichter und weniger wild als im Yukon. Die Strassen sind frequentierter, die Pickups sind nochmals grösser als in Kanada und die Leute fahren deutlich aggressiver… ob’s am kanadischen Nummernschild oder meinem Fahrstil lag, dass ich ständig überholt wurde?
Da das Projekt Alaska sehr spontan dazugekommen ist, hatten wir uns hinsichtlich Örtlichkeiten nicht wirklich viele Gedanken gemacht. Abwechselnd fuhren mal Katenka und ich - und ich nutze dann die Zeit um Fotos aus dem fahrenden Auto zu schiessen.
Schnell mussten wir aber feststellen, dass auch Alaska von Waldbränden betroffen war. Dies führte dazu, dass viele Campgrounds gesperrt waren, was uns zwangsläufig immer weiter fahren liess. Dass es lange hell ist, kam uns sehr entgegen. Die erste Nacht verbrachten wir - praktisch als einzige im Zelt - auf einem kleinen Campground am Fluss. Wir verzichteten auf ein Mücken-fernhaltendes-Feuer und versuchten anhand Google zu schauen, wo wir als nächstes hinfahren könnten.
Ich war am frühen Morgen kaum aus dem Zelt, als mich der Campground-Host ziemlich laut anmachte. Es war ein Deutscher… Klaus… Den Namen entnahmen wir schon am Vorabend seinem Wohnmobil. Im seinem Deutsch-Englischen-Akzent rief er lauthals: “Who are you guys and why did you not pay the (sä) Cämping Täxes"?!” Ich erklärte ihm, dass wir die Quittung an den Rückspiegel gehängt haben, da die dafür vorgesehene Vorrichtung am Pfosten defekt war. Wir redeten noch eine gute halbe Stunde - also er sprach über seine Erlebnisse der letzten 28 Jahre hier in Alaska - und er gab mir zum Abschluss seinen Geheimtipp, wo man in der Nähe die besten Burger zu essen kriegt.
Da gibt’s also tatsächlich diesen Schuppen - wie man sie aus den klassischen amerikanischen Filmen kennt - wo man in so Nischen am Fenster sitzt und davor die vielen parkierten Pickups stehen. Es richt nach fettiger Küche und wenn man den Blick durch den Raum schweifen lässt, fallen einem die richtig dicken Damen und Herren auf. Und eben diese Leute laden sich die grössten Burger mit riesen Portionen an Pommes oder Onion-Rings rein. Wir entscheiden uns ziemlich einstimmig für die Beilage Salat. Dennoch, die Burger sind extrem gut!
Wir fuhren an diesem Tag knappe 500 km bis nach Fairbanks. Grund dafür waren effektiv die vielen geschlossenen Campgrounds als auch die (unserer Ansicht nach) massiv überteuerten Übernachtungsmöglichkeiten in grundsätzlich billig anmutenden Motels. Und so war für uns auch Fairbanks, Alaskas zweitgrösste Stadt, nur ein weiterer Stopp, uns etwas zu sortieren und die noch verbleibenden Tage zu planen, einzukaufen und nebst einem neuen Haarschnitt für die ganze Familie, die Leica einer professionellen Sensorreinigung zu unterziehen.
Nur etwas südlicher von Fairbanks liegt der Denali Nationalpark. Ein Nationalpark, der sich in der zentralen Wildnis von Alaska auf einer Fläche von 24’500 Quadratkilometer erstreckt - riesig! Wir sind wie üblich einfach drauf losgefahren und haben mit etwas Glück den zweitletzten Campingspot erhalten. Nach diesen vielen langen Fahrten, war es die erste Destination in Alaska, in welcher wir uns wieder Zeit für die Landschaften nehmen konnten. Da der Park wegen Road-Constructions nur mit speziellen Park-Bussen befahren werden durfte, haben wir also auch ein Ticket gelöst und machten uns erst nach 17 Uhr, so ziemlich als letzte, auf den Weg. Einerseits mag ich voll gefüllte Busse nicht und abends ist das Licht bekanntlich am schönsten. Die Rechnung ist aufgegangen.
Zu Beginn der Busfahrt wurden wir von der Fahrerin über sämtliche Regeln und Verhalten (Rules & Regulations) instruiert. Dass es verboten ist, während der Fahrt aufzustehen, war zusammen mit der Pflicht sich anzugurten, das Plausibelste.
Was in Alaska auffällt, ist der total unterschiedliche Umgang und Bezug zur Umwelt. Während in Kanada Bären als Tiere angesehen werden, die man mit etwas Lärm problemlos verscheuchen kann und hauptsächlich darauf achten muss, kein Essen dabei zu haben, wurde in Alaska der Bär eher als eine menschenfressende Bestie dargestellt - weswegen man zwangsläufig immer einen Baer-Spray auf sich tragen muss. Bilderserie unten: Nikon Z9
Der Weg zurück zum Campground gegen 22 Uhr. Leica M11
Weil es uns so gut gefiel, hatten wir am Tag darauf beschossen, mit unserem Auto nochmals in den Park zu fahren - so weit wie man eben durfte. Wir bestiegen da einen kleinen Hügel und genossen die Weitsicht.
Auf der Fahrt von Denali, weiter in Richtung Süden, wurde es schwierig, eine Unterkunft zu finden. Im Regen wollten wir nicht auf einem Campground übernachten und die meisten Hotels, Cabins oder gar Mountain-Resorts waren vollends ausgebucht. Ich war auf der Suche nach sowas wie damals in Ucluelet - einem tollen Angebot von Booking. Erst ca. 400km weiter südlich, in Palmer, fanden wir einen sehr guten Deal in der Alaska Glacier Lodge. Endlich! Tolle, grosse Cabins und ein Restaurant mit ausgezeichnetem Essen! Wir haben erst nach dem Einchecken gemerkt, dass dies offensichtlich “der Hotspot” ist für Helikopter-Touren auf dem Knik Gletscher ist. Wasserflugzeug hatten wir im Yukon, dann soll es in Alaska der Helikopter sein! Ein Vorteil an Übernachtungen in Zelten ist, dass man zwischen 15 und 20 USD pro Nacht bezahlt… und somit erhöht jede Nach auf einem Campground das Budget für kostspieligere Aktivitäten.
Bereits nach wenigen Minuten Flugzeit, hatten wir die beste Aussicht auf den Knik Gletscher. Der Helikopter ist auf einem Hügel gelandet, so dass wir in aller Ruhe die Aussicht geniessen konnten. Leica M11 (Galerie unten: Nikon Z7ii/Z9).
Es ist ja nicht so, dass wir als abenteuererprobte Bergler zum ersten Mal einen Gletscher zu Gesicht bekamen. Doch diese Grösse ist äusserst beeindruckend. Das Wetter war an diesem Tag ganz nach meinem Geschmack. Bewölkt und leicht düster. Dennoch, die Gletscherstrukturen, das Weiss und das Blau, gepaart mit tief schwarzem Gestein, war faszinierend zu betrachten - und das aus nächster Nähe. Auch wenn das Blau und Weiss unglaublich schön anzuschauen ist, mag ich - vermutlich wegen dem Schwarz - die Bilder in Schwarzweiss mindestens genauso gut.
Galerie: Leica M11 / Elch und Helikopter, Nikon Z7ii
Die zweite Landung war beim George Glacier, wo wir praktisch an der Gletscherwand stehen konnten. Unser Helikopter, ein Robinson R44.
Die ersten sechs Bilder in der Galerie: Nikon Z9 - die neun darauf folgenden: Leica M11
Nach einer Weile, flogen wir nahe über dem George Gletscher bis zum dritten Stop, welcher dann auf dem Knik Gletscher selbst war. Das Tolle an diesem Robinson R44 Helikopter: er ist unglaublich wendig und so wie der Pilot damit geflogen ist, war es eine Mischung aus Achterbahn und Fuchur aus Die Unendliche Geschichte.
Nikon Z7ii
Und dann war es soweit. Das Highlight dieses Helikopter-Rundfluges endete auf dem Knik Gletscher neben einer kleinen Lagune. Es hätte auch der Mond sein können. Zumindest war das für uns ein einmaliges Erlebnis, von welchem wir noch lange zehren.
Impressionen: Leica M11
Galerie unten: Nikon Z9
Auch wenn es uns in Alaska aus landschaftlicher Sicht sehr gut gefallen hat, war der Umgang mit den Amerikanern - vermutlich wegen dem direkten und unmittelbaren Vergleich zu den Kanadiern - weniger angenehm. Und so hatten wir beschlossen, nach dem Helikopterrundflug in Palmer, den langen Weg auf uns zu nehmen und etwas früher zurück nach Kanada zu gehen.
Die Fahrt zwischen Palmer und Glennallen auf dem Glenn Highway. Nikon Z9
Zurück in Kanada
Viel Zeit blieb uns nicht mehr. Das Ende dieser Reise war eigentlich schon in Reichweite. Von Palmer aus fuhren wir hoch bis nach Tok, bis wir schliesslich wieder via Alaska Highway nach Kanada und den Yukon einreisten und gegen 23 Uhr auf einem Campground unsere Zelte aufschlugen.
Bevor es zurück nach Whitehorse ging, hatten wir zwei Stopps mit Übernachtungen vorgesehen. Der eine war am Kathleen Lake und der andere an der Haines Junction. Der erste auf einem Campground. Auch da hatten wir wohl einfach Glück und kamen gerade rechtzeitig an, um einer der letzten Spots zu ergattern. Alles was um und am Alaska Highway ist, ist in der Hauptsaison offensichtlich sehr gut besetzt. Fast noch schöner als der Kathleen Lake war die Fahrt ab der Grenze von Beaver Creek über Destruction Bay und Silver City nach Haines Junction. Silver City liegt am unteren Ende des Kluane Lake und hat uns mit seinen Dünen und dem sehr starken Wind zu einem kleinen Stopp bewegt. Nikon Z9
Der Aufenthalt am Kathleen Lake.
Und dann waren wir wieder da, wo alles seinen Anfang genommen hat. Downtown Vancouver, British Columbia. Eine tolle Stadt, in welcher wir nun zum Abschluss zum dritten Mal waren. Nach der Ankunft von Whitehorse klapperten wir all die Stores ab, in welchen wir noch etwas wollten und sicherten uns Plätze in unserem Lieblings-Restaurant, das Jinya Ramen, total eingeschossen auf Nudelsuppe, Gyoza und Edamame!
Nachdem wir am Morgen all unsere Sache gepackt hatten, ging es für einen allerletzten Foto-Walk durch die Strassen von Yaletown.
Nun sind wir also wieder zurück. Bei den Kindern und Katenka hat der Schulalltag wieder begonnen. Bei mir beginnt mein neuer Lebensabschnitt als Vollzeit-Fotograf und viele neue Projekte sind schon am Start. Wenn ihr euch überlegt, auch so eine Reise unternehmen zu wollen - überlegt nicht zu lange, macht es einfach! Wir teilen unsere Erfahrungen sehr gerne mit euch… sogar bei einer Tasse Black Raven!
Epilog
Reisen ist das vermutlich Wertvollste, was man ihn diesem einen Leben machen kann. Oder eine Familie gründen, würden andere sagen. Oder man kann mit der Familie reisen. Das wäre dann für mich das Wertvollste. Und es ist das, was mich am glücklichsten macht. Man kann natürlich auch all seine Energie in eine Arbeit stecken und sich die Träume für später aufbewahren. Wobei meiner Ansicht nach “später” heutzutage eine äusserst riskante Option ist. Viele, die ich kenne, sprachen von Ideen - doch umgesetzt, haben sie sie nicht. Zu alt, zu krank oder die Sorge um das Geld hat Überhand genommen.
Ich kenne persönlich viele solche Geschichten. Und manchmal stimmen sie mich nachdenklich. Ich verstehe nicht, warum man nicht viel eher das tut, was einem Freude bereitet. Stattdessen hält man an einem Job oder gewohnten Strukturen fest und ist frustriert über die Tagesabläufe. Man bangt aufs Wochenende, auf die Ferien, kauft sich zwischendurch irgendwelchen, unverzichtbaren Luxus, welcher das Glück vermeintlich bessert.
Ich bin nicht reich an materiellem Reichtum, ganz geschweige von einem fetten Bankkonto. Mein Reichtum sind die Erfahrungen und Erlebnisse aus all unseren Reisen. Begegnungen mit Menschen, mit Tieren, mit unerwarteten Problemstellungen, die es in ungewohntem Umfeld zu lösten gilt. Ich sage das so, weil ich immer wieder mal darauf angesprochen werde, ob wir denn vermögend wären. Sind wir nicht. Wir setzen einfach unsere Prioritäten so, dass wir neuen Abenteuern auf dieser Welt nachgehen können.
Geld ist nunmal das notwendige Mittel, um sich zu bewegen oder seine Träume verwirklichen zu können. Der Punkt ist - oder meine Erfahrung hat gezeigt - es braucht gar nicht so viel, wie man meint. Geld auszugeben für seine Leidenschaft ist eine Investition. Wer für alles eine Risikoabwägung macht und sich stets fragt, ob es sich denn lohnt, der wird den Schritt kaum wagen. Dennoch möchte ich es nicht verurteilen - wir werden schliesslich auch so erzogen. Wir sind masslos überversichert und wollen alle Risiken im Griff haben - dafür zahlen wir teure Prämien, oder aber, verzichten auf die Zeit, mit welcher wir das tun könnten, worauf wir wirklich Bock haben.
Ob es schwierig ist, herausfordernd vielleicht, mit Kindern so zu reisen? Klar - es ist zumindest nicht immer ganz so einfach, wie es in diesem Bericht oder anhand der Fotos aussieht. Wenn man schreibt, man würde erst um 23 Uhr auf einem Campground ankommen, dann tönt das äusserst romantisch. Aber Müdigkeit hat Auswirkungen auf die Befindlichkeit, auf den Umgang miteinander. Man ist gereizt und manchmal faucht man auch rum. Aber das ist mindestens so normal, wie dass jeden Tag die Sonne von neuem vom Osten her aufgeht. Wer also nach Perfektion strebt, ist vermutlich zum Scheitern verurteilt. Ebenso der Versuch, stets im Gleichgewicht zu sein. Für mich ist Perfektion dann erreicht, wenn durch Bescheidenheit jenes Mass an Freiheit erreicht ist, das zu tun, was mich, bzw. uns, im Herzen glücklich macht.