Kanada Teil I - Vancouver Island
Dieses Abenteuer hatten wir schon lange in unseren Köpfen. Es war schliesslich eine spontane Aktion - letzten Oktober - die mich dazu veranlasste, mit Iceland Air einen Flug ab Zürich via Reykjavik nach Vancouver zu buchen. Mehr braucht es ja nicht - ausser einem Mietwagen für vorerst vier Wochen. Weil die zweite Hälfte der insgesamt acht Wochen, würden wir in Kanadas Norden, im Yukon verbringen.
Wenn ihr euch jetzt fragt, wie man auf Iceland Air kommt, dann ist die Antwort: Weil es im Vergleich zu Swiss, Edelweiss und Canada Air nur ca. die Hälfte kostet… und, wenn man diese Airline kennt, weiss, dass das Personal unglaublich entspannt, freundlich und angenehm ist. Zudem bietet sich Iceland Air als Hub zwischen Europa und den USA/Kanada an, da praktisch jede Maschine via Norden zum anderen Kontinent fliegt.
Nach der Landung in Vancouver holten wir also unseren Mietwagen ab. Ein Chrysler Pacifica. Ist zwar ein Auto, fährt sich aber wie ein Schiff, schwankt wie Sau und säuft wie ein Kamel, das gerade die Sahara durchquert hatte. Es scheint, als wäre hier oben das Thema Nachhaltigkeit bei den Automobilen noch nicht ganz angekommen. Irgendwie ist hier eh alles grösser - und zwar wesentlich. Die Strassen, die Häuser, die Burger, die Glaces und eben die Autos. Diese Chevrolets, GMC und Dodge, welche man aus bekannten US Serien kennt, sind hier also so etwas wie der Standard Skoda Octavia bei uns.
Was uns an der Stadt Vancouver als Erstes auffällt: Es hat mehrheitlich Asiaten in Downtown. Nicht bloss ein Chinatown, wie man es auch von anderen grossen Städten kennt, sondern irgendwie ist es dominierend. Auch findet man kaum kanadisches Personal in Restaurants oder Hotels… es gibt sie, sie sind aber in der Minderheit - zumindest wie gesagt, in der City von Vancouver. Das ändert sich dann ziemlich schlagartig, kaum verlässt man die Stadt.
Unsere ersten drei Tage in Vancouver waren sehr schön - ein perfekter Start sozusagen, in einem Land, welches wir ganz und gar nicht kannten. Wir gingen shoppen, gut essen und besuchten den Hafen, die verschiedenen Quartiere tagsüber und am Abend und entdeckten zu Fuss den Stanley Park und den Granville Island Market. Und da war auch schon die erste Sichtung eines “Harbour-Seals”, der gelegentlich neben kleinen Booten oder Kayakfahrern auftauchte.
Für diese lange Reise hatte ich beschlossen, meine Leica M11 mit dem Summicron 75mm APO und Summicron 35mm Objektiv mitzunehmen. Dazu noch die Nikon Z9 mit dem 70-200, weil ich dann auch mal aus der Distanz näher ran könnte… dabei denke ich an mögliche Begegnungen mit Tieren.
Die Tage gehen schnell vorbei. Der Jetlag machte uns allen noch immer zu schaffen - uns Eltern sichtlich mehr als den Kindern. So buchte ich uns morgens um 3 Uhr, gänzlich wach im Bett, ein Ticket für die Fähre nach Victoria, im Süden der Vancouver Island. Unsere erste Destination führte nach Port Renfrew, einer Sackgassenfahrt an der südöstlichen Küste der Insel - gute 2.5h entfernt vom Ankunftshafen.
Die Fahrt auf der Fähre liess uns trotz des kalten Windes nicht in das Innere des Schiffes gehen - zu spannend war es, den Blick über die Küste, das Meer und die waldbedeckten, kleinen Inseln schweifen zu lassen. Die Vorfreude steigt.
Es war schon lange vor der Reise, als mein Freund Pascal mir sagte, ich solle nicht überhastig reagieren, wenn ich auf der Insel ankomme und einen Weisskopfseeadler sehe - von denen hätte es mehr als genug. Zum Glück! Denn wir waren kaum von der Fähre, da sass so ein Vogel auf einem Strunk am Wasser und ich wollte schon rechts ranfahren… manchmal fällt es nicht leicht, bei solchen Sichtungen entspannt zu bleiben. Doch im festen Glauben daran, dass Pascal Recht haben würde, fuhren wir langsam am Adler vorbei und weiter.
Weniger entspannt hatten wir reagiert, als kurze Zeit später bei der ersten (und bis heute einzigen) Begegnung, ein Schwarzbär seelenruhig vor uns die Strasse überquerte. Das Auto rechts ran und die Blicke zurück. Die Kamera war verstaut und der Moment war generell sehr kurz, so dass wir ihm einfach nachschauten, bis er im Gebüsch verschwand. Manchmal reicht es nicht für ein Foto - und manchmal muss man auch einfach kein Foto machen (wollen), sondern einfach den Augenblick geniessen. Ich hoffe dennoch, dass ich irgendwann noch ein Bärenfoto schiessen kann - ansonsten muss ich die Theorie aufstellen, dass man Bären in Kanada in etwa so oft sieht, wie Elche in Schweden… nämlich kaum ;-)
Wir checkten kurz vor 21 Uhr in der West Coast Trail Lodge ein. Zu Essen gab es nichts mehr - auch das Restaurant hatte bereits zu. Wir sitzen somit auf unseren Betten und essen eine Schüssel Cornflakes. Es ist immer empfehlenswert, Essen dabei zu haben… wer insbesondere mich kennt, weiss, dass auch ein Snickers schon helfen kann, allfällige Diva-Allüren gar nicht erst hervorkommen zu lassen.
Und nur weil alles zu und es kaum Touristen in der Gegend hat, machten wir uns auf den Weg ans Wasser. Es ist auch da noch lange hell und unglaublich ruhig. Die Robbe die am Hafen noch Fischreste der Fischer verschlingt und der Waschbär, der auf dem Holzgerüst des Piers immer wieder Blickkontakt zu uns zu suchen scheint, haben unsere volle Aufmerksamkeit. Schön ist’s da!
Frühstück gab’s im Coastal Kitchen Cafe. Die Verwunderung, warum die Kanadier dort schon morgens um 8 Uhr einen Burger mit Ketchup essen, führte rasch auch zu unserer eigenen Realität. Es hat nichts anderes. Fairerweise muss man sagen, sie packen einfach Speck, Eier und Coleslaw zwischen Burger Buns… und dazu gibt’s noch Cappuccino - und Ketchup, für die, die wollen. Gestärkt - oder einfach mit schwerem Magen - packten wir unsere Sachen und fuhren zum Botanical Beach. Einem kleinen Roundtrail mit verschiedenen Zugängen zum Meer.
Und da waren sie, die Weisskopfseeadler. Hoch in den Baumwipfeln, alleine oder zu zweit. Abwechselnd flogen sie raus aufs Meer und kamen mit Fischen in den Krallen zurück. Auch der Otter verschlang seine Fische… und wir mussten bloss aufpassen, dass wir nicht vom Meer bzw. den Wellen verschlungen werden… ausser man hat die Fähigkeit wie Emilie, das Meer zu kontrollieren😉.
Der nächste Stop führte uns zur Avatar Grove - einem regenwaldähnlichen Wald mit beeindruckend grossen und äusserst hohen Bäumen. Es gab auch da zwei verschiedene Trails die man machen konnte. Und nebst den Bäumen gab es hier Mücken mit einem beachtlichem Augenabstand. Zeit also, sich einzusprayen.
Und so ging die erste Woche schneller rum, als wir dachten. Wir überlegten natürlich, wohin wir als nächstes gehen sollten. Da wir ja auch diese Reise von Tag zu Tag planen, buchen wir auch entsprechend kurzfristig unsere nächsten Aufenthalte. Wir wussten, dass dieses Port Renfrew eine Sackgasse war und dass wir (u.a. auch wegen diverser gesperrten Strassen infolge Campfires) eine grosse Strecke vor uns hatten, um in Richtung Tofino zu fahren. Doch Tofino ist bekanntlich zu teuer, zu touristisch - da wollen, und gehen offensichtlich auch, alle hin. Aber Ucluelet, ca. 40km vor Tofino, scheint etwas ruhiger zu sein.
Auf der Booking-App poppte bei meiner Suche das Black Rock Oceanfront Resort auf. So ein Luxus-Ding… gerade mit 40%. Gebucht! Die Fahrt dahin dauerte eben wegen diverser gesperrten Strassenabschnitten über 6 Stunden. Aber wir hatten Zeit und konnten immer wieder irgendwo Halt machen und Kaffe kochen oder an einem See entspannen.
Bei Ankunft in diesem Resort erfuhren wir, als hätten wir nicht schon genug Rabatt, noch einen Update in eine voll ausgestattete Ocean View Suite. Irgendwie alles gerade äusserst grossartig. Die Aussicht war genial, doch was wir wirklich total schön fanden, war das Rauschen des Meeres, welches uns alle in den Schlaf begleitete.
Bild: Aussicht ab der Suite. Weisskopfseeadler fliegen dem Mond entgegen. Nikon Z9.
Whale Watching ist vermutlich die Hauptaktivität, die man auf der Vancouver Island macht - vor allem in Tofino. Orkas, Buckelwale und vieles mehr. Doch diese Touren sind teuer und während der Sommermonate oftmals über Tage und Wochen im Voraus ausgebucht. Nicht, dass ich solche Touren auch bereits aus dieser Region kennen würde, doch Wale habe ich auf meinen Reisen schon einige gesehen. Ebenso weiss ich, dass man auf Fischerbooten mindestens die gleichen Erlebnisse haben kann… einfach mit dem Zusatz - wenn man das denn auch mag - des Fischens.
Den ersten Tag verbrachten wir jedoch am Long Beach. Das ist der Strandabschnitt zwischen Ucluelet und Tofino. Surfer, mit Neopren, gehen hier bei 10 Grad Wassertemperatur surfen. Die Strömung ist stark und nicht ungefährlich. Wir bleiben am Strand und geniessen die Sonne. Weit hinter den Wellen - und hinter den Surfern - beobachten wir zwei Grauwale, die den Strandabschnitt entlang schwimmen… immer wieder ist der Blas zu sehen - einfach alles ein bisschen weit weg.
Fotoserie unten: Impressionen des Longbeach. Leica M11
Wir treffen uns um 14 Uhr auf dem Boot des Guides Ryan von Cameron Ocean Adventures. Der Versuch, Lachse zu fischen wird rasch aufgegeben. Erstens: “the ocean is way too rough” und “there are apparently Orcas around”. Und da sind sie! Gemäss seinen Aussagen seien sämtliche Whale Watching Touren vom heutigen Vormittag leer ausgegangen - und wir haben so viel Glück, auf dem Fishing-Trip Orcas zu sehen.
Und dies noch ein paar Impressionen nach der Aufregung um die Orcas in wieder in etwas ruhigeren Gewässern. Gefangen haben wir zwei Lingcods und einem Rockfish. Geschmeckt haben sie am Abend hervorragend! Bilder unten: Leica M11
Die nächste Destination, welche wir ansteuerten, war der Strathcona Provincial Park. Dieser liegt unterhalb Campbell River im Landesinnern. Doch eine Nacht davor, verbrachten wir für meinen 45 Geburtstag auf einem First Nations Campingplatz direkt am Meer. Es ist nur ein bisschen schmerzlich zu erwähnen, dass ich genau am Tag nach dem Geburtstag mit einem Hexenschuss aus dem Zelt gestiegen bin. Was für ein Geschenk!
Der Weg von Campbell River in Richtung des Strathcona Provincial Parks dauerte nur ca. 30 min. Wir erblickten einen riesigen See, umgeben von sehr viel Wald. Und es schien so, als gäbe es dort auch eine Möglichkeit, Zelte aufzustellen. Die Regel auf diesen Campground ist “first come, first serve”. Keine Reservationen. Und das Übernachten ist kostenlos. Gebadet wird im See - gilt zumindest für die mit Zelt - Toiletten sind vorhanden… ebenso bärensichere Abfallstationen. Das Wasser aus dem See kann idealerweise auch zum Kochen verwendet werden.
Das Plätzchen gefiel uns derart gut, dass wir ganze drei Nächte und vier Tage hier verbrachten (Upper Campbell Reservoir Campground). Zwischendurch gab es einen Ausflug zu den Myra River Falls weiter südlich - aber ansonsten blieben wir am und im See. Bären kamen keine vorbei, dafür haben wir zwei total tolle Bekanntschaften mit Catherine und Wayne gemacht. Sie luden uns zu sich auf den Stellplatz ein und es gab “S’Mores". Da grillt man sich Marshmallows über dem Feuer bis sie goldbraun sind und klemmt sich diese mit Schokolade zwischen zwei Kekse. In der ersten Nacht war neben uns eine Studentin, die im Abschluss ihres “Fish and Wildlife” Studiums stand. Sie leihte uns ihr Paddelboard - was vor allem den Kids grosse Freude bereitete.
Foto unten: Unser Blick auf den See aus dem Zelt. Die Hängematte kommt seit Jahren schon mit auf unsere Reisen - sie erhöht den “Chill-Faktor” erheblich. Leica M11
Wieder an der Ostküste bei Campbell River ging es, nach einem Einkauf von Lebensmitteln, via einer Übernachtung in der Telegraph Cove, ab Port McNeill mit der Fähre nach Alert Bay auf die Insel Cormorant. Die Fahrt durch den Nebel, der auf der Meeresoberfläche lag und der ganzen Landschaft einen grossen Hauch an Mystik verabreichte, bleibt unvergesslich.
Nikon Z9
Wir landeten in einem unglaublich schönen Hotel über dem Wasser - dem Seine Boat Inn. Die Gastgeberin Terry Lynn hatte uns hinsichtlich Aktivitäten beliebt gemacht, mit Arnie - einem 71 jährigen First Nations Fischer - aufs Wasser rauszufahren. Nach einem kurzen Kennenlerntreffen auf seinem alten Fischerboot haben wir uns per Handschlag auf Zeit und Preis geeinigt. (Mit First Nations werden Kanadas “Ureinwohner” bezeichnet).
Wir verbrachten gute sechs Stunden mit Arnie auf dem Boot. Wir fischten eine ganze Menge verschiedener Rockfish. Wale haben wir leider keine gesehen, doch immer mal wieder eine Robbe die an der Wasseroberfläche die Schnauze rausstreckte. Auch an diesem Tag war die See mit Nebel verschleiert. Teilweise konnte man Berge im Hintergrund sehen. In der Kombination mit Wasser, Nebel und Berge gab es ziemlich interessante Bilder. Nikon Z9
Und dann war dieser Moment, als wir mit genügend Fischen auf dem Rückweg Richtung Hafen von Alert Bay waren. Arnie rief laut, wir sollen vor das Boot schauen… ein ganze Horde Tümmler sprang vor dem Bug hin und her. Sie schwammen knapp zwei Minuten vor uns - und so wie sie kamen, waren sie plötzlich wieder weg… bzw. aus der Ferne konnte man sie sehen, wieder da, von wo aus sie uns zu folgen begannen.
Bild unten: Schau gut hin. Wenn sie nicht springen, sind sie kaum zu erkennen. Nikon Z9
Ein Abendspaziergang durch Alert Bay. Vom Hafen bis zum Ecological Park - für mich eher dem Waldstück, wo man Horrorfilme drehen könnte.
Leica M11
Am Morgen, unmittelbar nach dem Checkout aus dem Seine Boat Inn, haben wir festgestellt, dass, wenn man dort in der Region des Broughton Archipelago Inselhopping betreibt, die Fahrten mit der Fähre kostenlos sind. Also ab nach Sointula. Das liegt auf Malcolm Island gleich neben an.
Sointula tönt finnisch - ist es auch. Der Name "Sointula" stammt aus dem Finnischen und bedeutet "Ort der Harmonie". Die Stadt wurde im Jahr 1901 von einer finnischen sozialistischen Utopie-Bewegung namens Kalevan Kansa gegründet, die nach einem idealen Ort suchte, um eine gerechte und harmonische Gesellschaft aufzubauen. Dies ging natürlich schief, doch ist noch immer ein starkes Gemeinschaftsgefühl und ein gewisser Hippie-Style spür- u. sichtbar.
Das vermutlich Speziellste an dieser Insel ist, dass Oras jährlich an einen ganz spezifischen Strand (Bere Point) zurückkehren, um sich an den glatten Steinen zu reiben (Orca Rubbing Beach). Es gibt sogar Stationen von Wissenschaftlern, die dort über mehrere Monate im Jahr ihre Beobachtungen festhalten.
Natürlich sind wir zu diesem Strand hingefahren, in der Hoffnung (auch wenn äusserst gering) dieses Spektakel zu sehen. Doch anstatt Orcas bekamen wir - nach drei Stunden rumsitzen und Steine werfen - eine Sprungparade von zwei Buckelwalen zu sehen, die uns gute 45min staunen liessen.
Schön wenn du es bis hierhin geschafft hast und unsere Abendteuer verfolgst. Der Nächste Reisebericht folgt dann aus dem Yukon. Keine Ahnung was uns dort alles noch erwartet, aber wir freuen uns. Stay tuned!
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