Kanada Teil II - Yukon
Der letzte Reisebericht endete mit der Sichtung von Buckelwalen, die uns an der Küste von Sointula mit ihren Sprüngen aus dem Wasser begeisterten. Doch mit Vancouver Island waren wir noch nicht fertig. Wir verliessen Sointula und fuhren wieder an die Westküste bis Port Alice. Ein einst nach Schliessung der Mühlen (Holzindustrie) komplett heruntergekommenes Hafenstädtchen, das dank dem Tourismus wieder zum Leben erwacht ist (oder am Erwachen ist).
Viel gibt es dort noch nicht. Ein paar Bed and Breakfasts die erst ihre Türen öffneten und einige Altherren, die mit ihren Booten Wilderness- oder Fishingtouren auf dem Wasser anbieten. Ein Liquorstore, ein Supermarkt, ein Spital und ein einziges Kaffee, das Foggy Mountain – dieses ist jedoch ausserordentlich charmant und hat sehr guten Food und Kaffees zu bieten.
Erfahrungsgemäss sind diese Fishing-Charter-Touren für uns immer ein Erfolg. Nicht nur wegen dem Fischen an sich, sondern wegen dem Erlebnis auf dem Wasser und den verschiedenen Sichtungen von Wildlife.
Wie erwähnt, läuft hier in Port Alice einiges anders als sonst. So haben wir sprichwörtlich an den Türen von Regan angeklopft, uns vorgestellt und uns für einen Ausflug mit seinem Boot verabredet.
Die kalte Luft und die tief hängenden Wolken bieten zusammen mit der aufgehenden Sonne unvergessliche Momente. Das Boot rast förmlich durch das noch glatte Wasser bis an die Mündung zum offenen Meer. Auf geht’s zum Lachs fischen.
Nachdem jeder von uns je einen Lachs gefischt hatte, ging es gegen Mittag zurück nach Port Alice. Regan hat die Fische für uns filetiert und abgepackt. Für die nächsten drei Tage gab es Lachs… Lachs mit Reis, Lachs-Toast mit Avocado und Lachs-Pasta… und Lachs einfach so, kalt, zum Snack.
Leica M11
Es war unser letztes Abenteuer auf der Vancouver Island. Langsam machten wir uns schon Gedanken, was wir dann im Yukon machen. Es ging also mit der Fähre ab Nanaimo zurück in die Stadt Vancouver und mit dem Flieger hoch nach Whitehorse, dem Ausgangspunkt unseres nächsten Abenteuers.
Yukon und Northwest Territories
Am Flughafen von Whitehorse holten wir unseren Chevrolet Colorado Pickup ab. Cooles Teil! So zumindest der erste Gedanke. Doch, wenn unsere Taschen einfach so hintern drauf liegen, was, wenn es regnet? Und können wir das Auto einfach so stehen lassen?
Da es unmöglich war, für diesen Wagen eine fixe Abdeckung zu kriegen, mussten wir uns selbst helfen. Eine wasserdichte Blache musste her. Und mit ihr ein paar elastische Gummiseile, um das Ganze ordentlich zu fixieren. Wir nahmen uns schon während der ersten Übernachtung auf dem Wolf-Creek Campground südlich von Whitehorse genügend Zeit, um uns für den kommenden Monat in noch abgelegeneren Regionen, weg von der Zivilisation, neu zu sortieren.
Auf dem Campground trafen wir, wie so oft, auf unglaublich aufgeschlossene Kanadier, die uns diverse Reisetipps und Destinationen bekannt gaben. Warum eigentlich nicht ans arktische Meer nach Tuktoyaktuk fahren? Der Dempster Highway sei das letzte grosse Abenteuer, welches man auf dem Nordamerikanischen Kontinent machen kann, wenn man nicht mit dem Kanu den ganzen Yukon in die Beringsee paddelt.
Der Dempster Highway gilt als “Bucketlist-Journey”. Die Strecke ab Dawson bis Inuvik beträgt 737.5 km. Bis ganz hoch nach Tuktoyaktuk sind es nochmals 190 km - also total 928 km.
Nachdem wir uns mit 1.5 Kilo Kaffeepulver in einer Whitehorser-Rösterei eingedeckt haben – vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben – machten wir uns auf den Weg hoch nach Dawson City, dem Ausgangspunkt des Dempster Highway.
Bereits am zweiten Tag wurden wir von heftigem Regen überrascht. Zwar waren die Zelte und unsere getragenen Kleider nass – doch unsere Pickup-Impro hat zu 100% gehalten. Wenigstens das! Ungemütlich ist es dennoch, wenn man die Zelte am Morgen auch nass einpacken muss. Da kann ein Stopp unterwegs im Nirgendwo schon helfen, die Zelte und alles Nasse an die heisse Sonne zu legen und zu warten, bis es trocken ist.
Links unser Wagen, rechts, Navigator und Second Driver Katenka während des Trocknens der nassen Zelte - Nikon Z9
Was nicht auf jedem der Campgrounds so toll war, waren die vielen grossen Mücken. Und da es auf diesen Campgrounds oft keine Möglichkeiten zum Duschen gab, beginnt man schon sehr bald interessant zu riechen. Es ist eine Mischung aus Unmengen an Mückenspray, Sonnencreme, Schweiss vom Holzhacken und feinstem Rauch des abendlichen Lagerfeuers… und der ganze Staub der an einem klebt, krönt die ganze Beschichtung wunderbar ab. “Eau de Moustique” wäre da eine passende Beschreibung.
Leica M11
Weitere Impressionen von der Fahrt zwischen Whitehorse und Dawson City. Nikon Z9
Dawson City
Drei Tage später haben wir Dawson City erreicht. Zwar haben wir noch kurz vor dem grossen Regen im See gebadet, doch der Wunsch nach einer warmen Dusche war bei uns allen äusserst gross.
Dawson City – einstige Goldgräber Stadt, die heute noch so aussieht wie damals. Und es wird vom Staat auch alles daran gesetzt, dass man diese Stadt auch weiterhin so aussehen lässt. Viel Fassade auf jeden Fall, doch dahinter steckt viel Modernes.
Impressionen von Dawson City. Leica M11
Eine Kanutour kam wegen Katenka’s erst kürzlich erfolgten Schulter OP nicht in Frage. Also wenn nicht auf, dann mindestens über dem Yukon. Wir gönnten uns einen Ausflug mit einem Wasserflugzeug über Dawson City bis zum Tombstone Nationalpark und wieder zurück. Eine Premiere für uns alle!
Der Yukon von oben. Leica M11
Nach diesem kurzen aber unvergesslichen Flug, nahmen wir uns in Dawson genügend Zeit, Informationen über den Dempster Highway einzuholen. Wo campieren, wo tanken, wie fahren und auf was achten etc. Bis nach Tuktoyaktuk liegen gute 1'000 Km vor uns – und das auf Kies und Erde. Man stelle sich vor, die Strecke Zürich Bretagne auf Waldwegen zu fahren…. Und dann alles wieder zurück. Also 2'000 Km Arschklopfete in einem Pickup… kann man machen! Die Milch, die wir hinten draufhatten, war am Tag Zwei schon Butter – so viel zum «Shaky shaky».
Gleich ausserhalb der Stadt tankten wir noch einmal voll. Die Streckenabschnitte hatten wir uns auf einer physischen Karte eingezeichnet. Auf so einer Fahrt, ohne jeglichen Empfang, ist physisches Kartenmaterial äusserst wertvoll.
Auf ca. Kilometer 150 sichtet Katenka aus dem Auto heraus einen Wolf. Ein Wolf? Ein Wolf! Das Auto rechts ran, alle steigen aus. Völlig unbeeindruckt steht er da, trinkt aus einem Wasserloch und steigt schliesslich selbst hinein. Er war eher älter, mager und schien alleine unterwegs zu sein. Ca. 40km weiter machen wir auf einem der wenigen Campgrounds Halt. Wir machen Feuer, nicht nur aus Spass, sondern weil Rauch auch gut vor Mücken schützt. Und von diesen hat es einige.
Ich stehe gegen 8 Uhr aus dem Zelt auf. Kaum aufrecht, steht da der Wolf – keine 10 Meter vor mir und schaut mich an. Es muss der gleiche sein wie gestern. Gleich mager, gleiche Bewegungen und die Farbe seiner braunen Ohren sprachen dafür. Ohne mich gross zu bewegen, läuft er langsam rüber zum leeren Campspot nebenan. Es reicht nur für ein kleines Handyfillmli. Katenka und die Kinder haben ihn auch gesehen. Tolles Erlebnis! Beim Zusammenräumen lege ich die Überzelte auf einen trockenen Wegabschnitt an die Sonne und zwitschere mir nochmals einen Black Raven rein. Auf einmal das Geräusch, als würde jemand das Zelt wegschleifen. Ich stehe auf und sehe den Wolf. In seiner Schnauze eine Zeltecke… er sieht mich und schleift das Zelt einfach so mit sich in den Wald. PFUI – das ist mein Zelt! Ich laufe auf ihn zu und schon macht er sich ohne jegliche Reaktion und glücklicherweise ohne Zelt auf in den Wald. Bis wir schliesslich abfahren, sehen wir ihn noch zwei drei Mal herumschleichen. Wenn man so allein auf einem Campground ist, sind solche Begegnungen schon was Spezielles.
Auf den 1’000Km Fahrt bis an das Arktische Meer fahren wir an unzähligen, schier unendlich erscheinenden Wäldern vorbei. Alles irgendwie gleich und doch immer wieder anders. Hinter jedem Hügel oder sehr langgezogenen Kurve, erfreuen wir uns neuer Landschaften.
Impressionen: Nikon Z9
Je näher wir uns dem Arctic Circle nähern, desto krasser verändert sich das Landschaftsbild… weniger Bäume, dafür mehr Hügel.
Nach einem kurzen Lunch-Stop in Inuvik, entschieden wir um 15 Uhr, auch die letzten 200Km heute noch ganz hoch nach Tuktoyaktuk zu fahren. Es ist ja hell, denn ab hier geht die Sonne in dieser Jahreszeit gar nicht erst unter.
Impressionen: Leica M11
Welcome to Tuktoyaktuk!
Oder Tuk als Kurzform. Wer noch immer Mühe hat, es auszusprechen, «there is a Toy in it» könnte helfen: TUK-TOY-AK-TUK. Wir sind hier im Land der Inuvialuit (Inuit), am Arktischen Meer. Schön ist’s da! Aber viel gibt es nicht zu tun. Es hat im Wesentlichen eine Hauptstrasse und diese dient – wie wir schnell erfahren – vor allem den Kindern und Jugendlichen dazu, mit Vollgas auf ihren Squads oder Motorrädern hin und her zu fahren.
Und am Ende der Strasse liegt der Campingplatz… am äussersten Ende davon unsere Zelte. So ganz an vorderster Front ist es - auch wenn sehr windig - am schönsten!
Impressionen Leica M11
Wir verbringen zwei Tage da oben. Das grösste Erlebnis, zu unserer eigenen Überraschung, ist ein wochenendlanges Baseballtournier diverser Inuit-Teams. Schnell werde ich angesprochen, ob ich die Bilder auch ihnen zukommen lassen kann. Sure! Und das war mein Freipass, mich hier zu bewegen, wie ich wollte.
Wir erfahren am gleichen Tag, dass der Dempster Highway wegen eines grösseren Waldbrandes in der Region um Eagle Plains gesperrt ist. Grund genug, noch eine Nacht hier zu verbringen.
Beim Frühstück und einem der letzten Black Raven, zwischenzeitlich sind wir auch auf «Martha Black» umgestiegen, schwimmt ein Beluga-Wal an der Wasseroberfläche auf. Ganz in weiss, wie ein Delfin, einfach ohne Rückenfinne. Von diesen Tieren hat es da oben mehrere. So wunderbar dies auch war, es dauerte nur wenige Augenblicke, bis eine Fischer-Crew der Inuits dem Wal hinterher fuhr. Die Belugas werden hier oben gejagt und vollumfänglich verwertet.
Auf dem Weg runter nach Dawson City, halten wir in Inuvik an, um uns für die kommenden 800 Km mit Esswaren und Wasser einzudecken. Kaum losgefahren, trübt sich die Sicht aufgrund des Rauches.
An einem Fluss machen wir Pause und halten die Füsse rein, waschen die Köpfe runter. Wir frische Spuren von Karibus. Weit können sie nicht sein. Wir fahren ein Stück, wo wir eine gute Übersicht auf die Landschaft haben und erblicken gleich zwei solche Tiere. Ich weiss aus früheren Begegnungen, dass sie nicht nur ängstlich sind, sondern auch neugierig, vor allem wenn man den Hampelmann macht und in der Gegend rum hüpft. Gesagt getan. Beiden Tieren scheine ich offensichtlich interessant genug, dass sie sogar näherkommen und mich lange genug anstarren.
Bilderserie Karibus - Nikon Z9
Wir haben beschlossen, wegen dieser Situation nur eine Nacht im Zelt zu verbringen und die ganze Strecke so gut es geht, durchzufahren. In der einzigen Nacht, am Rock River Campground, brennt es auch im Zelt leicht in den Augen. Der Atem ist nicht stark eingeschränkt, aber spürbar ist der Rauch schon. Dennoch ein wunderschöner Spot - Grund genug, um sich um Fluss zu waschen.
Leica M11
Nach zwei Tagen Fahrt und über 2000 Km treffen wir verstaubt aber gesund in Dawson City ein. Als wir uns am Tag nach der Rückkehr im North West Territory Information Center bei Dawn zeigen, war sie erfreut uns wieder zu sehen. Dawn ist eine Inuit und hauptverantwortlich, Touristen, die das Dempster Abenteuer angehen wollen, die richtigen Tipps zu geben. Was wir jedoch nicht erwartet haben: wir wurden mit mit einem Orden ausgezeichnet:
Having demonstrated the initiative, integrity and
BOLD adventurous spirit of Arctic Explorers
who have traversed the
Dempster Highway
will hereafter be recognized as an honorable member of the exclusive!
Dempster Highway Order of Arctic Adventurers
Das ist definitiv mehr Wert als die Auszeichnung, einen Sourtoe Cocktail getrunken zu haben! Zumindest war ihre Antwort auf die Frage, ob man das denn hier in Dawson City machen müsse: “Why the hell would you do such a stupid thing that was made up for tourists?” Überzeugt!
Und was kommt als nächstes? Wir müssen eigentlich nur runter nach Whitehorse und dann wieder nach Vancouver – das Wie ist gegeben, doch der Weg ist noch offen. Gut so!